Mitschreiben – wie man es zu Papier bekommt
Dies ist eigentlich die Erweiterung des Beitrags Zuhören oder „Mitlesen“. Zu den Prinzipien, die dort ausgeführt werden, lässt sich ergänzen: Wenn du es auf die einfache Art machen willst, ist das Mitschreiben der nächste Schritt nach dem Mithören – wie man also seine Morsefähigkeiten verbessert, indem man ihnen die neue Handlung des Aufschreibens hinzufügt, ist Gegenstand dieses Beitrags.
Was wir als Buchstaben und Worte hören, soll nun mit Bleistift und Papier oder mit der Tastatur festgehalten werden. Das heisst also, die Koordination Ohr-Gehirn-Hand zu erlernen. Mit der Hand mitzuschreiben heisst nichts anderes, als einerseits zuzuhören und dabei gleichzeitig das Gehörte zu Papier zu bringen. Ein altes Telegrafie-Buch von 1854 beschreibt es als „ein Diktat aufnehmen“ – zuerst Buchstabe für Buchstabe, dann Wort für Wort usw. Dies ist sicher eine gute Herangehensweise. Also nimm den Bleistift wieder zur Hand. Die Fähigkeit zur Morse-Kommunikation wird durch das Mitschreiben messbar: wenn du es nicht aufschreibst – und zwar alles, exakt so, wie du es hörst – dann beherrschst du das Mitschreiben noch nicht.
Ein fähiger Funker ist darin geübt, das was er hört zu 100% exakt mitzuschreiben. Die meisten Leute können das Mitschreiben mit dem Stift bei einem Tempo von 25 WpM erlernen (einige schaffen 35, nur selten einer bis 45), aber oberhalb dieser Geschwindigkeit braucht fast jeder eine Tastatur (im Telegrafisten-Jargon eine „Mühle“ für Schreibmaschine). Mit einer Tastatur kann man mehr oder weniger „mechanisch“ mitschreiben – direkt vom Ohr in die Tastaturtasten und kann so praktisch die Stufe des Buchstabens, der auf der Taste steht, überspringen – Dies wird in den späteren Beiträgen näher beschrieben. Denk daran: versuche nicht, mehr als eine neue Sache gleichzeitig zu machen. Du weisst bereits, wie man schreibt. Wenn du mit der Hand mitschreibst, dann schreibe so, wie du es gewohnt bist. Versuche also zum Beispiel nicht, in Blockschrift zu schreiben, ausser wenn dir das auch sonst ganz natürlich und leicht von der Hand geht. Genauso solltest du auch nicht anfangen, auf einer Tastatur mitzuschreiben, wenn du nicht zuvor das (blinde) Maschinenschreiben erlernt hast.
Obwohl beim Mitschreiben die meisten von uns gerne wissen wollen, was sie da schreiben, ist es unnötig. Dieser Prozess kann nämlich so automatisch ablaufen, dass wir etwas korrekt mitschreiben können, ohne dessen Inhalt zu erkennen. (Ich für meinen Teil will immer wissen, was ich empfange…) Leute, die das richtig gut können, mühen sich nicht mit dem Erkennen des Inhaltes ab – sie haben das dermassen gut erlernt, dass es für sie quasi zur zweiten Natur geworden ist.
Hier ist ein interessantes Beispiel dafür, wie man gut mitschreibt: „Eines Nachts, als ich gemischte Buchstabengruppen ganz entspannt mitschrieb, fragte ich mein Gegenüber, ob er nicht einmal von den derzeitigen 20 WpM auf 25 erhöhen könnte. Er begann also mit 25 WpM zu geben, und ich war verwundert über dieses Missverständnis und ich fragte mich, warum er diese einfachen Daten mit Sprechfunk übermittelte. – Sprechfunk? Was für Sprechfunk? Er sendete weiter mit ganz klarem, exaktem Morsecode – Buchstaben- und Zahlenkombinationen mit 25 WpM, und ich konnte es mit Leichtigkeit mitschreiben.“ Aha! Der Hörer hatte angefangen, in Zahlen und Buchstaben zu Denken und nicht mehr in Morsezeichen. Er war ein Profi geworden.
Wenn du dich beim Üben des Mitschreibens bemühst, alles, jedes Zeichen das du hörst, exakt mitzuschreiben – nicht den Inhalt, den du zu hören glaubst – dann wirst du rasche Fortschritte machen. Die Fähigkeiten des Hörens und Code-Verstehens funktionieren am besten, wenn du erst einmal gelernt hast, sie auf die beschriebene Art und Weise zu „automatisieren“.
Inhaltsverzeichnis
Üben mit bekanntem Text hilft
Wenn wir bereits wissen, worum es in einem Text geht, hilft uns das genau wie beim Hören-Lernen, die Angst vor Fehlern abzulegen. Wenn wir also Übungstexte zuvor gelesen haben oder Audiodateien benutzen, die uns schon bekannt sind, fühlen wir uns entspannter. Wir brauchen uns keine Sorgen mehr zu machen, etwas zu verpassen, wenn wir zumindest so ungefähr wissen, wovon der Text handelt und was wir zu erwarten haben. Dies hilft uns dabei, im zeitversetzten Mitschreiben sicherer zu werden. Je besser wir wissen, was im Text vorkommt, desto leichter wird uns das Lernen fallen. Diese Sicherheit wird uns dann später auch in Situationen nützlich sein, wo wir mit neuem und unbekanntem Material konfrontiert sind.
Kümmere dich nicht um Fehler
Du solltest dir von vornherein eine gewisse Lockerheit beim Mitschreiben angewöhnen. Wenn du übst, schreibst du alles mit was kommt und gehe über Fehler einfach hinweg – vergiss diese einfach und mache weiter. Wenn du etwas verpasst, kümmerst du dich nicht darum – Lass es laufen, vergiss es und mach weiter. Lasse an der Stelle beim Schreiben eine Lücke und fahre fort, als ob nichts geschehen wäre. Wenn du auch nur einen winzigen Augenblick überlegst, was das wohl für ein Zeichen gewesen sein könnte, wirst du mit Sicherheit einige der folgenden Zeichen verpassen. Dies zu können braucht Übung. Wenn wir Fehler machen, schadet das nichts – wir lernen ja noch.
Die Lücken in deiner Mitschrift werden im Laufe der Zeit weniger werden und du wirst immer entspannter beim Mitschreiben sein und ganz automatisch eine Lücke für verpasste Buchstaben oder Worte lassen. (Wenn wir feststellen, dass es immer dieselben Zeichen sind, die wir verpassen, zeigt uns dies zumindest, wo noch Übungsbedarf besteht.) Denke daran, dass man immer mal etwas überhören oder ein Zeichen falsch identifizieren kann – und es ist genauso gut möglich, dass der Sender einen Fehler gemacht hat. Man sollte also derlei Dingen keine weitere Bedeutung beimessen und mit der Zeit stellt so etwas kein Problem mehr dar. Arbeite an diesem Abschnitt des Lernens nicht so lange, bis es ermüdend oder langweilig wird. Benutze vielerlei unterschiedliches Material und wähle dieses so interessant wie möglich aus.
Ein Schüler sagte einmal über die ARRL-Übungstexte: „Ich habe damit innerhalb von wenigen Wochen grössere Fortschritte gemacht, als vorher in Jahren, weil es viel interessanter zu hören und mitzuschreiben ist.“ In den Anfangsphasen ist es gut, einige Übungen mit Fünfer-Zufallsgruppen zu machen, um das korrekte Erkennen der Zeichen zu testen und das Vorwegnehmen zu vermeiden. Da diese Fünfergruppen aber keinen sinnvollen Inhalt haben, wird das schnell langweilig. Wenn wir zu viel davon hören, gewöhnen wir ausserdem unser Gehirn daran, nach jedem fünften Zeichen eine Pause zu erwarten, was später bei normalem Klartext zu einem echten Problem werden kann. Das hat es tatsächlich schon gegeben! (Mit „Englisch rückwärts“ zu üben – was einige Computerprogramme anbieten – ist dagegen viel besser, weil die Gruppen unterschiedliche Längen bei normaler Häufigkeitsverteilung der Buchstaben aufweisen.)
Wenn du noch professioneller werden willst
Wer will das nicht? Wenn du in der Lage bist, jedes Zeichen mitzuschreiben, dann lernst du nichts mehr dazu – aber wenn du nur zwei von drei Buchstaben erkennen oder vier von fünf, dann wirst du motiviert sein, auch noch den fehlenden Buchstaben zu packen. Es gibt für jeden von uns immer irgendein Tempo, das wir nicht mehr schaffen, aber was soll’s! Das muss kein Hindernis sein. Wenn du noch besser werden willst, über nicht so viel in langsamem Tempo, sonst gewöhnst du dich zu sehr daran.
Versuche immer wieder, in kurzen Abschnitten von höchstens ein oder zwei Minuten mit einem Tempo zu hören, das 2-5 WpM (oder mehr) über deinem normalen Tempo liegt. Wir zwingen damit unser Gehirn, schneller zu arbeiten – und es wird dies auch tun. Das ist besonders wichtig, wenn wir bei einer bestimmten Geschwindigkeit so etwa 95% mitbekommen. Man sollte sich damit nicht zufriedengeben. Am besten ist, am Anfang einer Übungseinheit, wenn man noch gut motiviert und ausgeruht ist, ein Tempo mitzuschreiben, bei dem man knapp die Hälfte aufs Papier bekommt, und dann etwas langsamer zu werden. Wenn du erst mit dem hohen Tempo arbeitest (um schneller zu werden) und es dann etwas ruhiger angehen lässt, wird das langsame Tempo dir umso leichter und angenehmer vorkommen. Bei häufigem Einschieben eines Tempos, zwei, fünf oder mehr WpM über deinem Limit, wirst du dein Gehirn stärker fordern und bald feststellen, dass du deutliche Fortschritte machst. Jeder gute Funker entwickelt mit der Zeit die Fähigkeit, exakt mitzuschreiben, ohne dass er noch darüber nachdenken muss, ob auch alles richtig ist.
Am Anfang
Wenn du mit dem Mitschreiben anfängst, wirst du Buchstabe für Buchstabe schreiben und immer direkt an den gesendeten Zeichen hangen: du hörst das Zeichen und schreibst es auf, vergisst es sofort und hörst das nächste usw. Aber auf diese Weise längere Zeit mitzuschreiben, praktisch im Gleichschritt mit dem Sender, macht doch Schwierigkeiten. Es wird ermüdend und auch langweilig, weil die Zeichen ohne Bedeutung sind und weil so viel bewusste Anstrengung vonnöten ist. Um den Sinn zu verstehen, musst du in der Regel erst lesen, was du aufgeschrieben hast. (Wenn wir aber während des Empfangens zurückblicken, werden wir die Zeichen verpassen.) Wenn du beim Üben merkst, dass du hinterherhängst, versuche nicht, innezuhalten, sondern einfach weiter zu machen.
Der Anfänger hat Angst, etwas zu verpassen, weil er es gar nicht schnell genug zu Papier bringt. Er muss mächtig kämpfen um hinterherzukommen und hängt wie hypnotisiert an den ankommenden Signalen, um ja dranzubleiben. Der Grund ist, dass er die Zeichen noch nicht schnell genug identifizieren kann. Das Problem wird dadurch verschärft, dass im Gegensatz zur Schreibgeschwindigkeit die Geschwindigkeit, mit der die Zeichen kommen, sehr unterschiedlich ist. Die Buchstaben „E“, „I“ und „T“ zum Beispiel, sind die kürzesten, während „C“, „J“, „Q“ und „Y“ die längsten sind. Ein Anfänger, der Buchstabe für Buchstabe mitschreibt, kann leicht in Panik geraten, wenn er versucht, ein E oder einen anderen kurzen Buchstaben hinzuschreiben, bevor das nächste Zeichen kommt. Es ist jedenfalls schlechter, als zwei E’s oder EI, IE, TT oder andere kurze Buchstaben, die miteinander verbunden vorkommen. Wenn wir beim Üben allmählich Fortschritte machen, können die meisten von uns Buchstabe für Buchstabe mitschreiben bis zu einem Tempo von etwa 25 WpM oder sogar noch etwas schneller, aber oberhalb dieser Grenze geht es dann nicht mehr und wir müssen einfach einen besseren Weg finden.
Ein besserer Weg – verzögertes Mitschreiben
Der erste Schritt, um das Mitschreiben zu erleichtern ist, das Mitschreiben mit Verzögerung zu lernen. Das heisst, wir müssen unser Gehirn darauf trainieren, als Puffer oder Kurzzeit-Speicher zu arbeiten, der die gehörten Zeichen zwischenspeichert, bis sie dann niedergeschrieben werden. Manche Zeichen oder Worte werden nach dem Hören automatisch einen kurzen Moment im Gedächtnis verbleiben, während wir die nächsten darauffolgenden Zeichen hören. Dies hilft uns, den Geschwindigkeitsunterschied zwischen dem Hören der unterschiedlich langen Zeichen und dem Schreiben auszugleichen, und es lockert die mentale Anspannung des Mitschreibens. Es dient uns als Art Polster. Auf diese Weise wird auch unsere Mitschrift viel besser aussehen und wir können sogar Eigennamen von vornherein mit grossen Anfangsbuchstaben schreiben.
Mit Verzögerung mitzuschreiben ist ausserdem eine gute Methode, um das Vorwegnehmen der Zeichen zu verhindern. Es richtet das Hauptaugenmerk vom Schreiben auf das Zuhören. Ein guter Telegrafist beginnt selten ein Wort zu schreiben, bevor er dessen Ende nicht gehört hat. Wenn wir für den Anfang Übungstexte hernehmen, die wir zuvor durchgelesen haben oder auf Band aufgenommenes Material, das uns schon bekannt ist, werden wir viel entspannter an die Sache herangehen. Wenn wir schon wissen worum es geht oder was gesendet wird, wissen wir, was wir zu erwarten haben und brauchen keine Sorge zu haben, etwas zu verpassen.
Oberhalb von 25 WpM müssen wir uns einen Wortschatz zumindest aus den meistgebräuchlichen Worten und Silben aufbauen. Versuche, mit dem Schreiben zu warten, bis eine Silbe oder ein kurzes Wort vollständig gesendet ist und probiere dies dann mit jeweils zwei Silben. Noch länger mit dem Schreiben zu warten, könnte zunächst riskant sein – es könnte ja ein längeres Wort sein oder unerwartete Buchstaben könnten kommen und einen überraschen und dazu führen, dass man sie nicht korrekt mitbekommt. (Wenn du im Laufe der Zeit immer schneller wirst, musst du spätestens bei 40 WpM wortweise mitschreiben.) Einige Leute entwickeln anscheinend diese Fähigkeit ganz automatisch, wenn sie schneller werden. Die meisten von uns aber können dies nicht ohne etwas Hilfestellung.
Wie können wir also das verzögerte Mitschreiben üben? Gibt es irgendetwas Spezielles, das uns im Training helfen kann? Hier zum Beispiel eine Möglichkeit: beginne mit Zufallsgruppen aus zwei Buchstaben, mit weiteren Abständen zwischen den Gruppen, als sonst üblich. Warte mit dem Aufschreiben, bis du beide Buchstaben komplett gehört hast. Wenn dir das dann gut von der Hand geht, nimmst du Gruppen aus drei, dann vier Buchstaben bis hin zu fünf, oder wie viele du wünschst. Übe mit langsam kürzer werdenden Pausen zwischen den Gruppen bis hin zum normalen Abstand. Eine andere Variante, die mit jeder beliebigen Art von Text geht, ist diese: höre den ersten Buchstaben, aber warte noch mit dem Hinschreiben, bis du den folgenden Buchstaben komplett gehört hast; schreibe dann den zweiten, wenn du den dritten gehört hast usw. Erhöhe dann die Anzahl der zwischen Hören und Schreiben liegenden Buchstaben auf zwei, drei, oder wieviel du willst.
Diese Art Übung sollte auf kurze Silben und kurze Worte ausgedehnt werden (wie beispielsweise „Die 100 meistgebräuchlichen Worte„), wobei man auf jeden Fall warten muss, bis das gesamte Wort vollständig gehört ist, bevor man es niederschreibt und währenddessen das folgende hört. Dies auf mehr als ein paar wenige Silben oder kurze Worte zu erweitern kann, wie erwähnt, problematisch werden, weil immer unerwartete Zeichen auftauchen können, die dich aus dem Takt bringen und dazu führen, dass du einiges vom folgenden Text verpasst.
Ein interessantes Beispiel ist der folgende Kommentar (der aus einer Zeit stammt, wo ein Regierungs-Inspektor jeden einzelnen Bewerber für eine Funklizenz prüfen musste): „Ich kann mich an die Vorteile des verzögerten Schreibens erinnern. Der Prüfer begann mit dem Test und sendete „of“ und dann „f“. Ich dachte sofort „off“ und bereitete mich darauf vor, dass das nächste Wort käme, aber zu meiner Überraschung folgte ohne Pause ein „i“ und ich versuchte gleich, ihm zuvorzukommen und dachte „office“. Zu meiner Verwunderung machte er mit „cia“ und ich verbesserte meine Vermutung in „official“. Aber ich lag schon wieder falsch, weil das Wort dann letztendlich „officially“ war. Erst hören und dann hinterher aufschreiben ist auf jeden Fall sehr nützlich.“ Mit dem Aufschreiben ein Wort oder zwei hinterherzuhängen ist sicher eine ganz angenehme Gangart, aber zu viel Verzögerung kann eine mentale Anspannung hervorrufen, besonders wenn ungebräuchliche Worte vorkommen.
Im Nachhinein zu schreiben macht die Sache nicht nur leichter, sondern hat noch andere Vorteile. Wir können eine hübsche und elegante Mitschrift erzeugen mit ansprechendem Aussehen, Gross- und Kleinschreibung und Interpunktionszeichen. Wenn das alles unterhalb unseres derzeitigen Tempo-Limits liegt, haben wir Zeit, um die Lücken zu füllen, die durch Rauschen u. a. entstehen und um Fehler des Senders zu erkennen und zu korrigieren. Der Kontext kann dabei oft helfen. (Zahlen haben meist keinen Kontext und müssen generell ohne Verzögerung zu Papier gebracht werden.) Der Zweck des verzögerten Schreibens ist, uns von dem inneren Druck und der Anspannung zu befreien, die das Mitschreiben Buchstabe für Buchstabe verursacht.
Die meisten Schnelltelegrafisten, die über diese Zusammenhänge diskutiert haben, sind der Auffassung, dass man nicht mehr als zwei oder drei Silben oder Worte hinterher sein braucht, und tatsächlich liegen wir, auch wenn das Tempo steigt, damit so ziemlich im sicheren Bereich. (Einige Experten wie Ted McElroy scheinen in der Lage gewesen zu sein, sechs oder mehr Worte Zwischenraum zu lassen – sogar ganze Sätze – ohne dadurch Probleme zu bekommen, aber die meisten von uns werden das wahrscheinlich nicht schaffen.) Buchstabe für Buchstabe zu schreiben zwingt uns, mit bewusster Anstrengung zu schreiben und dies wiederum blockiert unsere Versuche, die gewünschte Verzögerung zu erreichen.
Was Sinn ergibt, lässt sich leichter aufnehmen
Wir können immer nur einige wenige individuelle Zahlen oder Buchstaben im Gedächtnis behalten, weil sie üblicherweise keinen Zusammenhang haben und keine Bedeutung – im Gegensatz zu Silben und Worten ergeben sie keinen Sinn. Worte und Redewendungen sind viel einfacher zu behalten, als eine Kette von Zeichen oder Ziffern (oder ein Rufzeichen!), weil sie bedeutungsvolle Gruppen bilden und nicht nur ein paar unzusammenhängende Teilstücke. Deshalb war Walter Candler, der in früheren Tagen viele Telegrafisten zu richtigen Experten ausbildete, der Meinung, dass das Hören von Worten als zusammenhängende Worte unverzichtbar ist, um effizient mit Verzögerung mitzuschreiben. (Er war ein starker Verfechter von Hör-Übungen.) Wir können das Hören von Worten genauso leicht erlernen, wie das Hören von einzelnen Buchstaben. Das Wort „the“ beispielsweise ist nicht länger als die Ziffer „9“.
Beim Mitschreiben einen Zwischenraum von mehreren Silben, Worten oder gar längeren Ausdrücken zu lassen, ist lediglich eine Erweiterung davon. Wenn wir unser Vokabular ausbauen (d. h. Vertrautheit mit dem Klang der Worte erlangen), wie es im Beitrag Zuhören oder „Mitlesen“? beschrieben ist, wird das für uns sehr hilfreich sein. Wenn das Tempo steigt, wirst du merken, dass du bei etwa 40 WpM anfängst, wortweise aufzunehmen und bei ungefähr 60 WpM (wenn du es soweit schaffst) wird es eher Satzteil-weise sein.
Die früheren Telegrafisten berichteten meist, dass ihr „Alphabet“ aus Worten bestand. Das heisst, sie hatten ein grosses Arbeits-Repertoire an Worten, die sie beim Hören augenblicklich erkennen konnten. Wenn bei der Übermittlung ein Wort gesendet wurde, hörten sie dieses Wort, und nicht dessen einzelne Buchstaben, ausser wenn es ein Eigenname war oder etwas Ungebräuchliches, das sie buchstabenweise aufnehmen mussten. Sie besassen eine besondere Vertrautheit mit dem Klang der Worte. Deshalb sagte einer von ihnen, der auch ein bekannter Morse-Lehrer war, dass uns das Hören und immer wieder und wieder hören derselben Bandaufnahmen mit englischem Klartext hilft, einen extremen Grad der Vertrautheit mit den Worten zu bekommen – das bedeutet: Überlernen. Wir müssen uns einfach daran gewöhnen, wie die Worte im Morsecode klingen.
Die Angst, etwas zu verpassen
Nach dem verzögerten Mitschreiben und dem Hören von Worten ist die Regel Nummer 3: gewöhne dir an, alles, was du verpasst, zu überspringen. Mach einfach weiter mit der Mitschrift, notiere alles, was du auf einen Ruck erkennst und lasse bei Nicht-Erkanntem eine Lücke. Du wirst überrascht sein, wenn du merkst, wie diese Lücken mit der Zeit immer weniger werden. Wenn du an dieser Stelle ängstlich wirst, verlierst du einen Teil der Fähigkeit, gut mitzuschreiben und überraschenderweise tritt eine Neigung auf, das eigene Gebetempo zu erhöhen (teilweise bis zu 25%). Die Gehirnteile, die normalerweise für das Mitschreiben zuständig sind, werden durch Angst blockiert.
Am Anfang kommt es uns gar nicht leicht vor, etwas zu überspringen und Zeichen oder Worte, die wir nicht erkannt haben, einfach vorübergehen zu lassen. Es heisst nicht, das Zuhören einzustellen oder in der Aufmerksamkeit nachzulassen, sondern es bedeutet zu lernen, dem Gehirn zu vertrauen – dass es diese Zeichen oder Worte im Kurzzeitgedächtnis behält und nicht in Verwirrung oder Panik zu geraten, weil wir uns ihrer Anwesenheit dort nicht bewusst sind. Wenn du also, besonders beim Üben, hier und da einen Buchstaben oder ein Wort verpasst, mache dir deswegen keine Gedanken.
Du musst über diese Angst hinwegkommen, indem du einfach weitermachst – und dabei den problematischen Zeichen oder Worten etwas mehr Übung widmest – und nach einer Weile wirst du feststellen, dass du diese Worte nun erkennen kannst. Weil unsere Angst etwas zu verpassen das grösste Hemmnis beim verzögerten Mitschreiben ist, hat Candler einige spezielle Übungen empfohlen, die uns diesen Lernabschnitt mit einem Minimum an Frustration erleichtern, und das geht so: nimm dir eine Liste von kurzen Worten her, die in zwei Spalten angeordnet sind, nach Möglichkeit Worte mit ungefähr derselben Länge:
- Schreibe mit Stift oder Tastatur das erste Wort der ersten Spalte auf, während du gleichzeitig das in derselben Zeile stehende Wort der anderen Spalte laut aussprichst, und immer so weiter für alle Zeilen. (Man kann das auch wiederholen, wobei man die Reihenfolge der Spalten vertauscht.) Versuche dies am Anfang mit Worten aus zwei Buchstaben, und wenn du den Dreh heraus hast, auch mit längeren Worten. – Als nützliche Abwandlung versuchst du, das eine Wort mit der Morsetaste zu senden, während du das andere laut aussprichst.
- Lass dir von jemandem einfach geschriebenen Text vorlesen, in gleichmässiger Geschwindigkeit und Tonlage. Schreibe das erste Wort auf, aber erst, nachdem der Sprecher mit dem dritten Wort begonnen hat, und bleib mit dem Schreiben immer zwei Worte hinter ihm, oder wenn du willst, auch drei Worte usw. Am Ende kannst du dies mit Morsecode anstatt mit laut gesprochenen Worten wiederholen. Führe diese Übung so langsam durch, dass kein Zeitdruck entsteht und keine Angst aufkommt, etwas zu verpassen. Übe auf diese Art nicht zu lange am Stück: jeweils ein paar Minuten sind ausreichend.
Andere Vorschläge – Finger-Schreiben
Versuche einmal, auf die folgende Weise „mitzuschreiben“: – Sitze so, als ob du schreiben willst, benutze dabei deinen Zeigefinger anstatt eines Stiftes (oder deine Hand, als ob du einen Stift halten würdest), drücke ihn leicht auf die Unterlage, wie beim richtigen Schreiben. Du kannst versuchen, ohne Bewegung des Fingers (nur im Kopf) „mitzuschreiben“, oder wenn du willst, richtig mit dem Finger zu „schreiben“. Beide Arten können uns helfen, von diesen Baby-Schritten des Zeichen-für-Zeichen-Schreibens wegzukommen und mehrere Buchstaben oder ganze Worte als eine Einheit vor unserem geistigen Auge zu sehen.
Wenn wir erst den Trick heraus haben, werden wir feststellen, dass diese bildliche Vorstellung und das Erinnern der Buchstaben, auch wenn es jeweils nur für einen kurzen Augenblick ist, uns sehr dabei hilft, besser und schneller mitzuschreiben, als es uns mit der altherkömmlichen Weise Zeichen für Zeichen möglich war – es wird regelrecht zu einer Reflexhandlung. All dies trainiert das Gehirn, eine bildliche Vorstellung von den schön gehörten Worten für einen Moment gegenwärtig zu haben. Es wird sich so eine automatische Reaktion herausbilden: eine Ohr-Gehirn-Hand-Koordination. Denk daran: Fehler ignorieren, nicht zu lange auf einmal trainieren, und vergiss nicht, dass es bloss eine Übung ist. Also gib dir selbst eine Chance. Wenn du mit der Tastatur mitschreibst, fange langsam an. Du findest es vielleicht leichter, zunächst nur entweder in Gross- oder Kleinbuchstaben zu schreiben. Bis sich die Schreibmaschine verbreiteten, haben die alten Telegrafisten mit Stift und Tinte in wunderschöner Schreibschrift bis zu einem Tempo von 30-35 WpM mitgeschrieben – ordentliche und solide Mitschriften, während ein guter Telegrafist mit Schreibmaschine später mit 50-60 WpM mitschreiben konnte, ohne sich übermässig anzustrengen. Die meisten schrieben dabei mit 5-6 Worten Verzögert (OT Bulletin Januar 1992, S. 13).
Wie lange soll ich üben?
Bevor du nicht eine beträchtliche Fertigkeit beim Mitschreiben erreicht hast, solltest du längere Übungsphasen vermeiden. Wenn du aber erst einmal eine ordentliche Geschwindigkeit erreicht hast, ist es ganz gut, längere Zeit am Stück mitzuschreiben, weil mit der Zeit eine gewisse Ermüdung einsetzt. Das Unterbewusstsein übersetzt die Dits und Dahs weiter, so dass wir nicht diese Anspannung haben, die dazu führt, dass wir bei dem einen oder anderen nicht gleich erkannten Zeichen anfangen zu raten. Unter solchen Bedingungen kann man Seite für Seite vollschreiben und nicht einen einzigen Satz der Mitschrift mitbekommen.
Fading, Rauschen, Interferenzen und schlechte „Handschriften“
In der alten Zeit, als alle Schiffe ausschliesslich Löschfunkensender* benutzten, brauchte es eine Menge Konzentration und Übung, eine tausend Meilen entfernte Station aufzunehmen, wenn gerade ein anderes Schiff in 150 km Entfernung sendete. Es war besonders schwierig, wenn das Knacken und Rauschen sehr stark war, weil sich dies oftmals wie Teile von Morsezeichen anhörte. Eine schwache Station durch Rauschen, Interferenzen und Fading zu hören, ist eine spezielle Kunst, und um diese zu beherrschen, braucht es Einiges an Übung. Es beansprucht das Können des Telegrafisten aufs Äusserste, weil es oftmals nötig ist, den Empfänger nachzustellen und Lücken in der Mitschrift auszufüllen. Dabei darf man natürlich möglichst kein einziges Wort des gleichzeitig gesendeten Textes, der kaum zu verstehen ist, überhören. Das Signal-Fading ist eines der grössten Probleme, aber andererseits können wir beim Training auch davon profitieren. Es bringt einem bei, mitzuschreiben, was man gehört hat und Lücken zu lassen, wenn man etwas nicht gehört hat. Es kann helfen, uns im Ignorieren von verlorenen Zeichen und Worten zu üben.
Die Qualität des Senders und die Empfangsbedingungen haben einen starken Einfluss auf die Verständlichkeit. Ein Funker, der problemlos bei 25 WpM mitkommt, kann mitunter bei Rauschen und Überlagerungen auf 15 WpM zurückfallen. Kurze Rausch-Eruptionen können teilweise zum Verlust von Informationen führen. Die alten Berufsfunker konnten korrekt mitschreiben, wenn Rauschen, Interferenzen und Fading so stark waren, dass andere um Wiederholung des Textes bitten mussten. Sie konnten dies teilweise sogar unter Bedingungen, bei denen die meisten von uns nicht einmal mehr hören können, ob überhaupt ein Signal da ist. Ihre Jobs hingen davon ab. Das ist echte Kunst – mit CW schafft man es trotzdem! Einige Funkamateure haben gelernt, es ihnen gleich zu tun – sie können Morsesignale vor einem unglaublichen Geräusch-Hintergrund hören, bis zu einem Signal-Rausch-Verhältnis von 10 dB und mehr.
Es braucht Übung und Geduld, die schwachen Stationen zwischen den stärkeren herauszuhören, aber wir können sogar erlernen, eine schwache Station zu empfangen, die unter mehreren stärkeren begraben ist. Dies ist eine wirklich bemerkenswerte Eigenschaft des menschlichen Gehörs: unglaublich schwache Signale trotz stärkster Störgeräusche zu identifizieren. Dazu ist Konzentration erforderlich und der fortgeschrittene Funker sollte schon einiges davon mit der Zeit entwickeln. Schlechtes Senden, eine schlechte „Handschrift“ ist dagegen etwas anderes. Ein fähiger Funker, der bei 50 WpM gut mitschreibt, sofern die Sendequalität gut ist, kann bei schlechtem Zeichenabstand, schlechtem Tastrhythmus oder falschem Punkt-Strich-Verhältnis mitunter auf nur 10 WpM zurückgeworfen werden.
*Die von Marconi benutzten Funksender (wovon sich der Begriff des „Funkens“ ableitet) hatten eine Funkenstrecke direkt im Antennenkreis, strahlten ein breites Frequenzspektrum ab und hatten einen schlechten Wirkungsgrad. Beim effektiven Braun’schen Knallfunkensender war die Funkenstrecke nur induktiv angekoppelt. Eine bessere Erkennbarkeit der Signale ergab der 1906 von Max Wien erfundene Löschfunkensender, der wegen der Funkenfrequenz von bis zu 500 Hz auch Ton-Funkensender genannt wurde.
Fehlerhafte Mitschriften korrigieren
Lücken und Fehler in einer Mitschrift können oft korrigiert werden, egal, ob sie beim Senden oder Empfangen unterlaufen, und zwar, indem man den Text nochmals durchsieht und analysiert. Halte nach Schlüsselworten, Bindeworten und Satzgrenzen Ausschau, um einen Anhaltspunkt zu gewinnen. Der Kontext kann beim Ergänzen und Lücken-Füllen sehr helfen. Wenn ein Wort seltsam aussieht, schau nach dem Buchstaben, der vielleicht verschluckt oder fehlerhaft gesendet oder falsch identifiziert wurde. Beim Üben die eigene Mitschrift nochmals durchzusehen, kann sehr sinnvoll sein, auch, um Mut zu schöpfen.
Andere Beobachtungen
Wenn man die Expertenstufe erreicht hat, wo das Mitschreiben automatisch abläuft, ist der häufigste Fehler, dass man anfängt, sich zu sehr für die empfangene Nachricht zu interessieren. Man neigt dann dazu, Vermutungen anzustellen, was wohl als nächstes kommt, und wenn etwas Unerwartetes gehört wird, verliert man Teile des darauffolgenden Textes. Auf einer Mühle (Schreibmaschine) mitzuschreiben, ohne den gehörten Text verstehen zu können, wurde im zweiten Weltkrieg in Afrika angewandt, als Funker knapp waren. Gebürtigen Afrikanern, die kein Wort Englisch konnten, wurde beigebracht, jedes Morsezeichen mit der entsprechenden Taste auf der Tastatur zu assoziieren. Sie lernten ziemlich schnell, die Zeichen zu erkennen und jeweils die entsprechende Tasten zu betätigen und wurden am Ende ziemlich gut darin.
Wenn wir uns Notizen nur für uns selbst machen, brauchen wir nicht jedes einzelne Zeichen oder Wort aufzuschreiben – wir können eine Art Kurzschrift oder die üblichen Abkürzungen verwenden, wie „RCVR“ für Receiver, „ANT“ für Antenne usw., so dass es gerade reicht, um uns später an den Inhalt zu erinnern. Dies verschafft uns etwas mehr Zeit und Entspannung beim Zuhören. Während des zweiten Weltkrieges stellten viele Funker fest, dass das Mitschreiben einer Telegrafie-Übertragung in Blockschrift bei 25 WpM auch nicht schwieriger war, als bei gesprochenem Englisch in derselben Geschwindigkeit. Manche dieser Mitschriften dauerten über eine Stunde! Aber eine hochentwickelte Fähigkeit verschlüsselte Nachrichten mitzuschreiben kann sich beim Mitschreiben von Klartext sogar hinderlich auswirken. Verschlüsselte Übermittlungen werden in Zeichengruppen immer derselben Länge übertragen (meistens in Fünfergruppen), aber bei Klartext haben die Worte sehr unterschiedliche Längen. Wenn so ein Funker von Fünfergruppen auf Normaltext wechselte, neigte er oft dazu, die Worte in 5-Buchstaben-Gruppen niederzuschreiben. Es zeigte sich auch, dass Hintergrundmusik oder andere leise rhythmische Geräusche die Monotonie vermindern, die bei Schnelltelegrafie-Funkern beim Empfang vieler und langer Übermittlungen auftritt.
98 der 100 meistgebräuchlichen Worte – zusammengestellt für Candler’s Übungen
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