Zuhören oder „Mitlesen“?

Morsen lernen

Geschrieben von HB9HWS

08.12.2023

Morsen lernen

Zuhören oder „Mitlesen“?

„Im Kopf mitschreiben“: Einfach nur gutem Morsecode zuzuhören ist vielleicht der beste Weg überhaupt sowohl für das Erlernen der Telegrafie, als auch um die eigenen Fähigkeiten zu verbessern.

Es ist sicherlich das Einfachste und Leichteste – du kannst ohne irgendwelche Ablenkungen deine gesamte Aufmerksamkeit nur dem Hören widmen und versuchen, das Gehörte zu verstehen – ohne die Anstrengung, gleichzeitig mitzuschreiben. Ist das nicht genau die Art, wie wir unsere Muttersprache gelernt haben? Beobachte einmal, wie Kinder lernen!

Zuhören!

Viele erfahrene Telegrafie-Lehrer sind der Ansicht, dass das einfache Zuhören ohne Mitschreiben die allerbeste Übungsweise in jedem Trainingsstadium ist. Es erfüllt mehrere Zwecke gleichzeitig. Erstens richtet es unsere Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass Morsecode aus Klangmustern besteht und wir lernen dabei die Muster jedes Zeichens und einiger erster Wörter kennen. Zweitens, und dies ist besonders wichtig, hilft es uns, die Anspannung zu vermeiden, die entsteht, wenn man jedes einzelne Zeichen mitschreiben will. Darüber hinaus hilft es, uns an die Benutzung des Morsecodes zu gewöhnen.

Wenn du deine Fähigkeiten verbessern willst, gilt: Hören, Hören, Hören! Wenn du erst einmal das Alphabet im Griff hast, dann beginne damit, bei jeder Gelegenheit gutem Morsecode zuzuhören, immer dann, wenn du gerade etwas tust, was nicht deine volle Aufmerksamkeit erfordert (z. B. Kochen, Essen, Handarbeiten). Denke nicht, dass du dazu eine grosse Menge neues Übungsmaterial brauchst. Erinnere dich immer daran: „Häufige Wiederholung ist Lernen.“ Dasselbe bekannte Material immer wieder abzuspielen, Tag für Tag, ist besonders hilfreich, wenn du es kreativ tust, nämlich mit echtem Hinhören. Spiele es wieder und wieder, höre genau zu, versuche zu verstehen. Wenn du zuhörst, lässt du deinen Geist offen und empfangsbereit sein – versuche, jedes ankommende Signal aufzunehmen. Tue dies, ohne vorauszudenken oder sich an das vorige erinnern zu wollen. Um also grössere Vertrautheit mit dem Morsecode zu entwickeln, nimmst du dir jeden Tag etwas Zeit, um dich zu entspannen und einfach nur gutes CW zu hören.

Diese Art Hören, einfach nur hören, so wie die Zeichen der Reihe nach kommen, bedeutet kreatives und konstruktives Hören. Es hat unterschiedliche Vorteile, nicht zuletzt den, dass es jede Spannung und jeden Stress vermeidet – Du weiss um welches Thema es geht, du kennst im Prinzip den Inhalt der Botschaft und fühlst dich zunehmend damit vertraut. Die Klangmuster prägen sich bei dir immer besser ein – die Morsezeichen erlangen mehr und mehr Bedeutung für dich. Du kannst also sehr davon profitieren, wenn du dieselben Dinge immer wieder und wieder auf diese konstruktive Weise hörst – einfach nur hören, so wie die Zeichen kommen. Wenn du so erste Fortschritte machst, mische auch einige neue und unbekannte Aufnahmen darunter. Das neue Übungsmaterial wird für dich mit dieser Art Übungen immer leichter und leichter zu verstehen sein. Hör es dir immer wieder und wieder an.

Besonders in der Anfangsphase des Lernens, wenn alles noch sehr langsam geht, aber auch später, wenn du schon beträchtliche Fähigkeiten erreicht hast, neigt der Geist manchmal dazu, abzuschweifen oder vorauszudenken (zu Schlussfolgern). Wenn du hörst, hänge dich an die Zeichen wie ein Blutegel, konzentriere dich darauf, höre sie richtig an. (Es wird dir helfen, wenn du jede Anstrengung vermeidest, herauszubekommen, was da gesagt wird.) Bedenke, dass bei der Kommunikation, wenn wir im Funk zuhören, die Signale nur einmal kommen und wir sie nicht erneut hören können, ausser wenn wir sie auf Band aufnehmen. Du wirst lernen, derartig vertraut mit dem Klang der Morsezeichen zu werden, dass du sie beim ersten und einzigen Mal Hören ganz leicht erfassen kannst. Intensive Gewöhnung an den Morsecode wird uns dabei helfen.

Wenn wir ausgeruht und munter sind, wird uns das Erkennen der Zeichen leicht fallen. Pass auf, dass dein Gehirn dabei nicht schneller arbeitet, als die Gegenstation die Zeichen gibt. Wir müssen vermeiden, dass unsere Gedanken abschweifen, oder dass wir etwas vorwegnehmen oder eine Pause machen, um irgendetwas herauszufinden. Einige von uns tun dies während einer normalen Unterhaltung, aber beim Hören von Morsecode muss dies vermieden werden. Lasse solche schlechte Angewohnheiten beim CW-Hören gar nicht erst einreissen. Wenn wir hören, müssen wir alle bewussten analytischen Prozesse unterdrücken und anstatt dessen eine aufnahmebereite Geisteshaltung einnehmen, eine gespannte Bereitschaft zum Empfang der Zeichen – jeden Buchstaben, jedes Wort, jede Wortgruppe zu hören, so wie es ankommt, aufnahmebereit, egal was es ist. Das bedeutet, jeden empfangenen Buchstaben, jedes Wort oder Wortgruppe zu registrieren und dann sofort bereit zu sein für das Nächste. Hören und immer weiter hören, und versuchen zu verstehen. Lasse uns ein Gefühl dafür entwickeln und den intensiven Wunsch, es zu schaffen. Es gibt keinen Grund, jemals in Verwirrung (oder gar in Panik) zu geraten, weil du nicht alles, was du hörst, verstehen oder mitschreiben kannst.

Wenn du etwas verpasst, kümmere dich nicht darum

Habe ich Angst, etwas zu verpassen? Ich muss diese Angst ablegen, mich entspannen, lernen meiner Auffassungsfähigkeit zu vertrauen und einfach am Hören Spass haben. Es ist eine Tatsache, dass wir, je weniger angestrengt wir es versuchen, desto besser empfangen können. Halte niemals inne, um etwas herauszufinden, was du nicht mitgekriegt hast. Folge einfach den Zeichen – höre weiter zu, und schon nach kurzer Zeit wirst du genug mitbekommen, um den Sinn des Satzes zu verstehen. Mit der Zeit wirst du alles erkennen können. Aber auch, wenn du schon ganz gut geworden bist, werden dir immer wieder Worte unterkommen, die beim ersten Hören keinen Sinn ergeben – wenn du einfach weiter zuhörst, wirst du in den meisten dieser Fälle den Sinn des Wortes herausfinden, sogar ohne dies bewusst zu versuchen. Der übrige Kontext und auch Wiederholungen werden helfen, die Lücke zu füllen – achte einfach nur weiter auf die ankommenden Zeichen. (Und denke daran, dass gelegentlich auch der Absender einen Fehler gemacht haben kann.) Wenn du deine ersten Schritte in CW nur mit Mitschreiben gemacht hast, wird es einige Übung brauchen, um das „Mitschreiben im Kopf“ zu lernen. Höre, um zu verstehen. Höre immer weiter und kümmere dich nicht darum, wenn dir das eine oder andere entgeht. Schon bald wirst du den Eindruck haben, dass die Signale anscheinend langsamer werden und es werden vor deinem inneren Auge wie bei einer Parade sinnvolle Worte und Redewendungen vorbeiziehen. Lerne, auf ganze Worte und Redewendungen zu hören und mehr die Bedeutung des Satzes, als die einzelnen Buchstaben zu erfassen.

„Wirf deinen Stift weg!“

Mancher Oldtimer hat beim Empfangen seit jeher immer alles mitgeschrieben: er hat niemals gelernt, sich ganz locker zurückzulehnen und einfach nur Spass an der Kommunikation zu haben. Er muss den Stift weglegen und lernen, entspannt zu hören um des Hörens willen. Genauso ergeht es auch vielen Anfängern, die Angst haben, etwas zu verpassen, wenn sie nicht alles, jeden einzelnen Buchstaben, mitschreiben. Sie fühlen sich an Stift und Papier geradezu angekettet. Dies erzeugt eine Anspannung, eine Belastung, die die reibungslose Funktion des Gehirns beim Telegrafie-Empfang behindert. „Wirf deinen Stift weg und habe einfach Freude am Zuhören“ ist sicher ein guter Ratschlag.

Konzentration

Beim Hören müssen wir Schritt für Schritt lernen, alle Ablenkung auszuschalten und unsere volle Aufmerksamkeit auf die Signale richten, auf das, was da übermittelt wird. Wir müssen lernen, uns ganz auf die Signale zu konzentrieren und alles andere zu ignorieren, solange, bis es zu einer echten Angewohnheit wird und automatisch erfolgt. Gewöhne dir diese bewusste Konzentration an, immer wenn du anfängst zu hören oder wenn du nach einer kurzen Pause damit fortfährst. Mache dieses „Aufräumen“ des Geistes zu einem gewohnheitsmässigen Vorgang, einer automatisch ablaufenden Vorbereitung für das Hören, damit du deine volle Aufmerksamkeit ausschliesslich den Signalen widmen kannst. Wenn uns interessiert, was wir hören, wird dies bei der Konzentration helfen. Aber habe den festen Willen, zu verstehen, was da gesagt wird – aber auch wieder nicht so intensiv, dass das Raten einsetzt, was wohl als nächstes kommt – sonst wirst du dadurch einiges von dem verpassen, was momentan übermittelt wird.

Ein Angestellter, der für die Einstellung von Schiffsfunkern verantwortlich war, war selbst ein erfahrener Telegrafist. Er verband eine Morsetaste in seinem Büro mit einem Summer im Wartezimmer. Wenn er einen neuen Bewerber hereinrufen wollte, sendete er den entsprechenden Namen im Morsecode. Wenn der Mann nicht sofort darauf reagierte, überging er ihn und machte mit dem nächsten Bewerber weiter. Er glaubte, dass ein guter Schiffsfunker immer aufnahmebereit sein sollte und jederzeit auf CW-Mitteilungen reagieren können muss. Ist das nicht eine interessante Methode, um an einen guten Funker zu kommen? Hört er zu? Ist er empfangsbereit?

Lerne Worte zu hören, denn Worte bilden die Bausteine der Gedanken

Wenn du allmählich vertrauter mit dem Morse-Alphabet wirst, dann wirst du bald in der Lage sein, die Buchstaben mit Leichtigkeit zu erkennen – es ist nun an der Zeit, das Gehörte mehr inhaltlich zu erfassen, was bedeutet, Worte zu hören und nicht eine Kette von Buchstaben. Wenn die Geschwindigkeit immer weiter steigt, gibt es eine Grenze für unsere Fähigkeit, Worte zu buchstabieren. Unser nächstes Ziel muss also sein, ganze Worte zu erfassen. Lasse jedes Wort und jede Zeichengruppe auf dem inneren Bildschirm deines Gehirns als Ganzes erscheinen. Entwickle eine Art Klangbewusstsein für die Worte, wie du es vorher für die Buchstaben getan hast. Das bedeutet nicht, dass du die Worte neu lernen musst, sondern nur, dass du deine Herangehensweise vom Visuellen auf den Klang veränderst. Übe mit Wortlisten, beliebigen Texten oder QSO’s – diese Art Training wird dir helfen, dich mit dem Klangmuster der häufig benutzten Worten vertraut zu machen.

Unsere Fähigkeit, Worte mental zu buchstabieren und sich an sie zu erinnern, ist begrenzt. Solange wir Buchstabe für Buchstabe hören, müssen wir fast immer mitschreiben, um das Empfangene verstehen zu können. Um den Morsecode so hören zu können, wie wir normale Sprache hören, müssen wir lernen, die Worte als Worte zu hören – das erst macht aus kürzeren oder längeren Buchstabenketten ein „Konversationsmittel“: dies ist Phase zwei. Wenn du gelernt hast, zumindest einige der 100 meistgebräuchlichen Worte (siehe „Das 1. Stockwerk auf einem soliden Fundament errichten – Die 100 meistgebrauchten Worte in Englisch„) als Worte zu hören und aufzufassen, hast du bereits die ersten Schritte geschafft. Worte sind die Grundbausteine der Sprache und wir müssen daher anfangen, den Code so zu hören, dass nicht mehr die Buchstaben, sondern mehr und mehr die Worte unsere kleinsten Code-Einheiten sind. (Der dritte Schritt, das Experten-Niveau, ist, wenn man mehr die mitgeteilten Gedanken und Inhalte erfasst, anstatt einzelner Worte.)

Wie können wir das erlernen? Hören, um die Bedeutung zu erfassen.

Wenn wir beginnen, Worte anstatt einzelner Buchstaben zu hören und zu senden, wird sich unsere Aufnahmefähigkeit und unser Tempo steigern. Dies ist ein Teil unseres Zieles, den Morsecode besser nutzen zu können und das Vergnügen an seiner Anwendung zu steigern. Wenn wir Worte anstatt Buchstabenketten hören, wird uns die Geschwindigkeitssteigerung ganz leicht und natürlich vorkommen. Es wird aber etwas Übung und Anstrengung dazu brauchen. Der Geist muss angetrieben werden, aber nicht allzu hart. Lass uns das auf eine lockere Weise machen, mit kurzen Übungsphasen. Ganze Worte zu erfassen wird für uns ein automatischer Erkennungsvorgang werden, der so abläuft, wie wenn wir gesprochene Sprache hören. Das ist letztlich keine schwierige Sache – zum Beispiel ist das Wort „the“ nicht länger als die Zahl „9“.

Beginne zunächst mit dem Hören von kurzen gebräuchlichen Worten und widerhole diese wieder und wieder, bis sie als Wort-Klänge unauslöschlich im Gedächtnis verankert sind. Lerne Worte genauso als Ganzes zu erkennen, wie du es bei den Buchstaben gelernt hast. Wenn das dann einigermassen flüssig geht, ist es, als ob jemand diese Worte zu dir gesprochen hätte. Die im Folgenden beschriebenen Methoden können dir helfen, diese Fähigkeit auch für längere Worte zu erweitern:

Ein „Mentaler Bildschirm“ ist vergleichbar mit einem richtigen Bildschirm – stelle dir das etwa wie eine Schreibmaschine oder einen Notizzettel vor, wo du ein Wort nach dem anderen, Buchstabe für Buchstabe und Zeile für Zeile aufschreibst; oder wie eine dieser Anzeigetafeln, auf denen die Worte langsam über den Schirm laufen. Lasse jedes Wort auf dem inneren Bildschirm deines Geistes auftauchen, damit du es im Kontext der anderen Worte „sehen“ kannst. Versuche, jede Zahl und jeden Buchstaben usw. für den Bruchteil einer Sekunde auf deinem inneren Schirm zu „projizieren“. Damit wird dein Gehirn darauf trainiert, dies automatisch und ohne Verzögerung zu ton, jedes Mal, wenn du das Wort hörst. Lerne, auf deinem mentalen Notizzettel zu schreiben. Dies hilft, unsere Aufmerksamkeit auf die hereinkommenden Signale zu konzentrieren, zu erkennen, wie sie Worte formen, und zu lernen, diese auch als Worte zu „sehen“. Wenn du beim Hören von schneller Morsetelegrafie deinen Geist völlig frei und offen sein lässt, werden die Zeichen dich bald „von selbst anspringen“.

Manche haben festgestellt, dass ein phonetisches Aneinanderreihen von Lauten unser Auffassungsvermögen und die Fähigkeit zur Geschwindigkeitssteigerung auf einfache und natürliche Weise fördern kann, und zwar so: Entspanne dich und denke an den Klang der Buchstaben, nicht an deren Namen, sondern so, wie sie innerhalb eines Wortes ausgesprochen werden. Wenn beispielsweise das Wort „WEST“ gehört wird und du so, wie die Buchstaben aufeinander folgen, laut oder im Stillen zu dir selbst sagst: „we, we, we-e, we-e, wes, wes … west“, und du so stückweise im Geiste das Wort aufbaust. Das macht es leichter, das Klangmuster des Wortes zu hören. Sag die Buchstaben einen nach dem anderen auf, bis du erst Silben erhältst und zum Schluss das Wort selbst. Dies trainiert das Gehirn, die „dit-Pause-dah“-Muster und -Kombinationen in ihre akustische Bedeutung zu dekodieren, so, wie wir letztlich auch gesprochene Worte aufnehmen.

Diese Methode funktioniert natürlich nicht perfekt, weil die englische Sprache nicht perfekt phonetisch aufgebaut ist. Manche Buchstaben sind „stumm“, wie z. B. ein „e“ am Wortende. Lasse uns die Buchstaben zu Worten zusammensetzten, wie es bei der normalen Sprache auch erfolgt. Du kannst dazu mit gebräuchlichen Buchstabenkombinationen (br, gl, ng, usw.) und mit Silben (com-, ex-, inter-, -ment, -ing, -tion, usw.) üben. Das Erkennen ganzer Worte wird so zu einem Prozess, bei dem wir das, was wir als aufeinanderfolgende Einzelzeile hören, zusammensetzen und es als gedankliche Einheit auffassen. Das kann sogar bei Abkürzungen funktionieren. Vielleicht willst du diese Herausforderungsweise ausprobieren und sie zu einem automatisch ablaufenden Vorgang werden lassen. Wenn wir gelernt haben, Worte als ganze Worte zu hören, werden wir sogar in der Lage sein, Fehler des Absenders oder einen kurzzeitigen Ausfall des Funksignals während des Hörens zu kompensieren.

Die Bedeutung von korrekten Wort-Zwischenräumen sollte jetzt immer klarer werden. Sie geben dem Gehirn den entscheidenden Sekundenbruchteil Zeit, in dem eben Gehörten einen Sinn zu erkennen. Diese Abstände zwischen den Worten sind absolut notwendig. Die folgende Übung ist ein Versuch wert: sowie du ein Wort durch die kurze darauffolgende Pause erkannt hast (wenn das Tempo nicht zu hoch und die Pausen lang genug sind), versuchst du, dieses Wort laut oder im Stillen zu sagen. Du wirst dir dazu vielleicht einiges an Übungsmaterial herstellen wollen, bei dem längere Abstände zwischen den Worten sind als sonst üblich, um Zeit für das Aufsagen zu haben. (Es kann auch ganz nützlich sein, auf diese Weise mit kurzen Zahlengruppen zu üben, mit etwa 2 bis 3 Stellen.) Die kurze Pause, die beim Empfang sagen: „Beginn des Wortes“ und „Wort vollständig“ sind für uns eine Art Ruheinsel. Aus diesem Grund ist es so hilfreich, wenn man mit dem Klang der Worte immer besser vertraut wird. Es macht das Wort zu einer Sinn-tragenden Einheit und du kannst viel schneller erkennen, was Sinn macht. Je besser du mit den Worten vertraut bist, desto leichter kannst du sie aufnehmen. Dies vertreibt die Anspannung beim Hören.

Ein Funkamateur drückte es so aus: „Der Morsecode fliesst einfach so in meine Ohren hinein und kommt als Worte wieder heraus.“ Wenn wir unser Gehirn erst einmal dazu gebracht haben, jedes Zeichen automatisch wahrzunehmen und uns seine Bedeutung erkennen zu lassen, dann müssen wir den nächsten Schritt tun: das gleiche Gehirn zu trainieren, dass es die Buchstaben speichert und sie zu Worten zusammensetzt, ohne dass wir uns dieses Prozesses bewusst sein müssen und ohne dass wir jeden Buchstaben einzeln hören. Wir müssen lernen, unser Unterbewusstsein die Arbeit tun und uns am Ende nur das fertige Wort übergeben zu lassen. Solange wir darauf beharren, jeden einzelnen Buchstaben erkennen zu wollen, stören wir die normalen unbewussten Abläufe unseres Geistes unnötig und lenken unsere Aufmerksamkeit in eine falsche Richtung.

Unser Lernziel ist, den Morsecode auf dieselbe Weise zu hören, wie gesprochene Sprache. Letzten Endes werden die Morsezeichen genauso durch unser Bewusstsein wahrgenommen werden, wie gesprochene Worte und wenn wir dies erst einmal können, dann wird auch das Mitschreiben viel einfacher werden.

Um besser zu werden, müssen wir in höherem Tempo hören

Wenn wir unsere Fähigkeiten erweitern wollen, müssen wir damit beginnen, in höheren Geschwindigkeiten zu hören, als dass wir sie noch bequem verstehen können. Auf diese Weise gewöhnen wir uns an das höhere Tempo und beschleunigen die Zeichenerkennung. Wir sollten dabei mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten hören, sowohl langsamer als auch schneller, als unser momentanes Eigentempo. Wir müssen flexibel sein – man sollte vermeiden, zu lange bei nur einer einzigen Geschwindigkeit stehenzubleiben. Lasse uns gleichzeitig auch anfangen, mit jeder Menge englischem Normal-Text zu üben, in einem Tempo nahe unserer augenblicklichen Leistungsgrenze. Wenn wir in der Art immer weiter üben, wird sich diese Grenze allmählich nach oben verschieben. Eine tägliche Übungszeit von insgesamt einer halben Stunde in einem Tempo, dem wir kaum noch folgen können, wird innerhalb von einigen Wochen Wunder wirken. Höre so zu, wie bei einem Konzert – habe Freude am Hören!

Manchmal sollten wir auch Geschwindigkeiten hören, die derartig hoch sind, dass wir nur hier und da mal ein Zeichen erkennen. Diese Art von Hören wird rasch dazu führen, dass wir mehr und mehr davon aufschnappen können. Kurze Worte werden als erste „herausspringen“. Sowie sie gesendet werden, werden wir wissen, welches Wort das ist, obwohl wir die Buchstaben nicht bewusst einen nach dem anderen erkannt haben. Mit dieser Art von Übung werden wir schon bald von jedem Satz zumindest soviel mitkriegen, dass der Satz einen Sinn ergibt. Lernen ist nicht immer gleich. An manchen Tagen wird es besser gehen als an anderen, aber das sollte uns nicht schrecken – das ist normal. Das geht uns allen für eine gewisse Zeit bei jeder Geschwindigkeitsstufe so.

Du wirst feststellen, dass du manchmal etliche Worte ganz locker lesen kannst, und zu einem anderen Zeitpunkt von denselben Worten kaum mehr als ein paar Buchstaben hier und da. All das ist Teil des normalen Lernprozesses. Höre einfach weiter zu: widme den ankommenden Signalen deine ungeteilte Aufmerksamkeit und bleibe ganz entspannt, so als ob du einem Freund zuhörst. Nach einer Weile wirst du nicht nur kurze, sondern auch längere Worte erkennen… und schliesslich den gesamten Text. Du wirst im Laufe deiner Übungen entdecken, dass die Signale, die dir erst so schnell vorkamen, anscheinend langsamer werden, so als ob sie vor deinem inneren Auge als sinnvolle Worte und Satzteile vorbeiwandern. – Ein interessantes Beispiel ist ein blinder Funkamateur, der mit 35 WpM hören konnte. Nach etwas Üben und Hörpraxis in höherem Tempo verpasste er zwar ab und zu ein Zeichen, war aber nicht wenig verwundert, als ihm gesagt wurde, dass die augenblickliche Geschwindigkeit 55 WpM betrug!

Verpasste Worte, lange Worte, Restworte und zerstückelte Worte

Rauschen, Interferenzen oder Fading* können zum Überhören von ein oder zwei Buchstaben, von kurzen Worten oder Teilen längerer Worte führen. Kurzzeitige Unaufmerksamkeit beim Senden oder Empfangen (durch Ermüdung, Ablenkung oder irgendetwas anderes) kann dies ebenfalls bewirken. Bei Restworten ist der Wort-Anfang verlorengegangen. Dies ist im Englischen ganz besonders problematisch, da die Wort-Anfänge meist sehr wichtig sind um den Sinn der Worte zu verstehen – was da verlorengeht, ist oftmals der beim Sprechen betonte Teil des Wortes. Ist es nicht oft so, dass wenn wir den Anfang des Wortes hören, wir schon ziemlich genau im Voraus wissen, um welches Wort es sich handelt?

Wenn der Empfang gut ist und wir einfach nur so zuhören, können sich seltsame Dinge ereignen: ein kleines Wort oder der erste Teil eines längeren Wortes kommt uns bekannt vor – es hat keine erkennbare Form – und wir stutzen einen Moment, um den Sinn des Wortes zu erkennen. Unser Geist neigt in dieser Situation dazu, die nächsten paar Zeichen zu überhören und wahrscheinlich werden wir das verlieren, was unmittelbar als nächstes folgt, bei längeren Wörtern oft sogar das ganze Wort. Ein andermal scheint unser Geist nach den ersten paar Buchstaben eines längeren Wortes irgendwie rückwärts springen zu wollen, dann verpassen wir einige Buchstaben in der Mitte und schliesslich verlieren wir ebenfalls das ganze Wort. Wie können wir dies unterbinden? Wir dürfen uns durch das Verpassen des ersten Wortteils nicht ablenken lassen, so dass wir wenigstens den Rest des Wortes aufnehmen können. Wie also beugt man dem vor? Entsteht nicht die Anspannung, die beim Verpassen von Buchstaben auftritt, teilweise dadurch, dass wir plötzlich eine Lücke haben und nichts, mit dem wir diese Lücke füllen können? Wir können lernen, uns an die Zeichenfolge längerer Worte zu erinnern, wenn wir einfach nur zuhören. (Beim Mitschreiben kann man die Lücken auch oft im nachhinein ausfüllen.)

Ein zerstückeltes Wort entsteht, wenn der oder die vermissten Buchstaben in der Mitte des Wortes liegen oder manchmal auch, wenn die Buchstaben zwar alle da sind, der Sender aber unvermittelt eine zu lange Pause zwischen zwei Zeichen macht. In jedem der beiden Fälle ist die Pause zwischen den Wortteilen zu lang und unser Gehirn nimmt dies als eine Pause wahr, die das Ende des einen und den Anfang eines neuen Wortes markiert. Da das nun keinen Sinn ergibt, erkennen wir, dass irgendetwas nicht stimmt und fangen an zu überlegen, welches Wort diese letzte Wortgruppe wohl darstellen soll. (Dies soll uns eine Warnung sein, damit wir solche Pausen beim Senden vermeiden.)

Wenn ein falscher Buchstabe (bei einem Gebe-Fehler) oder ein anderes Zeichen anstatt eines Buchstabens gesendet wird oder aber wenn der Sender ein ganzes Wort auslässt, kann uns das auf dieselbe Weise aus dem Konzept bringen. Ist das nicht genauso, wie bei einem Druckfehler beim Lesen? Lesen wir nicht öfters über ein falsch geschriebenes oder fehlendes Wort hinweg und nehmen kaum Notiz davon? Wie können wir das? Offenbar deshalb, weil wir das betreffende Wort aus dem Kontext heraus verstehen. Können wir das beim Telegrafie-Hören nicht genauso lernen? Wo ein oder mehrere Buchstaben oder ganze Worte falsch sind oder gar fehlen, können wir diese nicht oftmals selbst ergänzen? Wir können lernen, dies bei fehlenden oder zu viel gegebenen Dits usw. zu machen und solche Fehler während des Hörens zu korrigieren. Wie schon betont, müssen wir es einfach laufen lassen und weiter hören. Wenn wir in so einer Situation eine Pause machen, um herauszufinden was da los ist, wird das unsere Aufmerksamkeit vom Aufnehmen weglenken hin zur Analyse des Gehörten – und unseren schönen automatisierten ablaufenden Erkennungsprozess erheblich stören. Häufig werden wir feststellen können, dass sich solche Unstimmigkeiten beim weiteren Zuhören von selbst klären.

Als allererstes müssen wir uns strikt auf die ankommenden Signale konzentrieren ohne eine Bemühung, die Sinn der Worte herauszufinden. Der Versuch, den Sinn zu erkennen, ist eine bewusste Aktivität, die mit unseren automatischen mentalen Funktionen kollidiert. Es kommt dann das Gefühl der Besorgnis auf – Sorge, dass man sich an die ersten Buchstaben nicht mehr erinnern kann, bis das ganze Wort beendet ist, oder dass der Wort-Anfang irgendwie eigenartig ist und seine Bedeutung unklar bleibt (z. B. bei technischen oder medizinischen Fachausdrücken), oder dass es ganz und gar ein Wort ist, welches uns völlig unbekannt ist. Bei vielen Worten ist es hilfreich, wenn man mit den gebräuchlichen Vor- und Nachsilben vertraut ist, so dass man diese als eine „Einheit“ hören kann und nicht als eine Aneinanderreihung von Buchstaben. Die weitere Aufnahme der Morsezeichen nicht durch bewusstes Nachdenken stören zu lassen ist eine Fähigkeit, die erst erlernt werden muss.

*Fading = Schwankung der Signalstärke, die durch Veränderung der Ausbreitungsbedingungen der Kurzwellen in der Atmosphäre entsteht. Geringere Schwankungen dieser Art werden von Kurzwellenempfängern automatisch ausgeglichen.

Dem Funk zuhören

Wenn mir am Funkempfänger zuhören, werden vielfach Rauschen, Fading und Interfrequenzen unsere Hörgeschwindigkeit vermindern. Unter solchen Bedingungen werden exakt gegebene Zeichen (mit akkuratem Timing) viel besser durchkommen, als eine schlampige Gebeweise. Aber es gibt auch bestimmte Einstellungen oder Veränderungen am Empfänger, die uns hilfreich sein können: z. B. die Benutzung von ZF- und NF-Filtern*, Veränderung der Einstellung des ZF-Verstärkers usw. Damit lässt sich die Signalqualität verbessern und Nebengeräusche reduzieren.

Rauschen und unregelmässige elektrische Interfrequenzen können oft reduziert werden, wenn man die RF-Verstärkung herunter- und die Lautstärke höherdreht. Manche Geräusche können im Gehirn quasi ausgeblendet werden, wenn Kopfhörer verwendet werden, die so verdrahtet sind, dass das Signal auf beiden Lautsprechern phasenversetzt ankommt. Separater dualer Empfang kann das Fading weitgehend reduzieren oder gänzlich eliminieren, aber dies erfordert eine relativ umfangreiche Änderung der gesamten Ausrüstung: es sind zwei separate Empfangsantennen und zwei identische Empfänger dafür notwendig. Das Ohr ist ausgezeichnet geeignet, um CW-Signale aus QRM, Nebengeräuschen und Interfrequenzen herauszufiltern und es ist darin aller heute verfügbaren Technik überlegen.

Wir können unsere Ohren darauf trainieren, Interfrequenzen zu reduzieren und die Aufmerksamkeit nur auf das gewünschte Signal zu lenken. Tonhöhe, Tonqualität, Geschwindigkeit und Gebeweise zweier Signale können, sofern die Signale nicht genau identisch sind, uns helfen, sie sicher auseinanderzuhalten. Ausserdem können wir erlernen, unglaublich schwache Signale aus einer Unmasse Störungen herauszuhören. Etliche Funker haben die Fähigkeit, trotz aller Widrigkeiten nahezu 100% des Textes aufzunehmen. Manche haben festgestellt, dass ihnen bei starken Störungen im Dunkeln mit geschlossenen Augen die Konzentration auf die Signale leichter fällt. Vielleicht möchtest du das auch einmal ausprobieren und sehen, ob dir das bei der Entwicklung oder Verbesserung deiner Fähigkeiten hilft. Und letztendlich kann mitunter auch das Mitschreiben helfen, uns zu konzentrieren.

Jeder erfahrene Telegrafist kann, egal was er gerade tut, ohne jegliche Anstrengung hören, was im Funk oder über den Draht mitgeteilt wird.

*ZF = Zwischenfrequenz, NF = Niederfrequenz

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